Rundbrief 09 / 01

Ringgleis: Parkplätze statt „grünes Ringgleis“?

Ein Artikel in der BZ vom 18. Juli d.J. läßt aufhorchen:: „Klinikpersonal protestiert gegen Parkplatznot“.
In einem offenen Brief fordern Mitarbeiter des Klinikums Celler Str. mehr Parkplätze. Autoparkplätze natürlich. Der Lösungsvorschlag von Wolfgang Sehrt (CDU): Umnutzung von Teilen des Ringleises hinter dem Klinikum (ehemals Bahnhaltestelle Celler Str.) für die Wünsche der Klinikmitarbeiter.
„Wehret den Anfängen“ können wir dazu nur sagen. Wenn die Stadt hier ein schlechtes Beispiel gibt, mit welchen Argumenten will sie dann die Begehrlichkeiten bei anderen privaten Anliegern abwehren, auf dem Ringgleis ebenfalls Parkplätze zu bauen?
Das Verscherbeln des Ringgleises hätte man dann ja gleich der Deutschen Bahn AG überlassen können. Ohne die langwierigen Verhandlungen und ohne die einstimmigen (!) Beschlüsse des Rates zum Kauf des Gleises.
Nein! Ohne ein vom Rat der Stadt gebilligtes Gesamtkonzept für das Ringgleis sollte Herr Sehrt seine Aktivitäten vorübergehend anderen Projekten widmen!
Wir fordern die umgehende Erarbeitung eines Rahmenplans für das Ringgleis zum Frühjahr 2002!
Hans W. Fechtel

Ein letzter Blick zurück

Der Sommer ist dahin! Grau und nasskalt schwappt der Herbst durch’s Land, lässt uns frösteln und zusammenrücken. Bei einem Glas dampfendem Tee erzählen wir uns Geschichten und schwärmen von den wilden Aktionen rund um’s Ringgleis. „Ja, damals, im Mai des Jahres 2001 ... “ Vor unserem inneren Auge steigt ganz plötzlich das verschwommene Bild eines verrückten Mitfünfzigers auf, der entschlossen, bekleidet mit Gummistiefeln bis hoch in den Schritt, hinter quietschgelben Plastikenten das Wasser der Schölke aufpeitschte und die gelben Winzlinge gnadenlos ins Ziel trieb.
Nicht alle seine Veranstaltungen trafen den Nerv dieses Stadtviertels – so geriet das „Singsang am Ringgleis“ gänzlich zur Nullnummer. Selbstkritisch fragen wir uns: Sollte es vielleicht an der frühen Startzeit (Sonntagmorgen – 11.00 Uhr) gelegen haben oder „stehen“ die Anwohner nicht auf selbstgeschmetterte Maienlieder?
Die Spannung stieg hingegen ins Unermeßliche als Bezirksbürgermeister Oppermann, bewaffnet mit einer stumpfen Küchenschere, den anarchischen Versuch wagte, das weißrote Flatterband zu durchtrennen, das zu jenem Zeitpunkt die Anwohner des Westlichen Ringgebietes noch immer von der Nutzung ihrer stillgelegten Bahntrasse zwischen Madamenweg und Kreuzstraße abhielt. Ein anerkennendes Raunen ging durch die anwesende Menschenmasse als dieses Werk vollbracht war. Der anschließende Knall der Sektkorken ließ hoffentlich auch den letzten Anwohner des Bezirkes 320 aufhorchen und kräftig applaudieren ... oder vielleicht doch nicht?
Schon ganz bald, einige Tage später, sollten wir während eines Diskussionsforums in der Hochschule für Bildende Künste von der Bürgerinitiative „Rettet die kleinen Hamster und Piepser entlang der Ringgleistrasse“ hören, die gar nicht glücklich über die neue Entwicklung schienen und aufgebracht ihren stacheligen Urwald verteidigten. Ginge es nach ihnen, müsste das Märchen vom schlafenden Dorn-röschen umgeschrieben werden. Kein wildentschlossener Prinz würde die Brombeerhecke nach 100 Jahren mit seinem Säbel zerhacken und das nette Mädchen von nebenan wachküssen. Ihre Devise lautet: Alles soll so bleiben wie es ist – wir wollen unsere Ruhe. (Zum Glück kennen wir ihre Kinder und die denken ganz anders über unsere Aktivitäten).
In Scharen bevölkerten sie den Spielplatz am Bunker, rasten umhängt mit buntbemalten Pappkartons - als Waggons verkleidet - hinter „Emma“, der Lokomotive“ her, ließen sich für einige Stunden von den attraktiven Schauspielerinnen der Theatergruppe „Feuer und Flamme“ in entlegene Regionen dieser Welt „beamen“, malten wunderschöne, riesengroße, kunterbunte Bilder und fragten uns am Ende jeden Tages: „Geht’s Morgen weiter?“ Auf manche Erwachsene strahlte die gute Laune der Kinder ab, sodass sie ausgelassen mitspielten. Unübertroffen war auch der Auftritt der schon leicht in die Jahre gekommenen Pfadfindertruppe. Ausgerüstet mit einer Kote und diversem Überlebensmaterial kämpften sie sich durch die Schluchten unserer Stadt und beglückten ebenfalls die „Rotznasen“ dieses liebenswerten Stadtviertels mit einem zünftigen Lagerfeuer. Bei Klampfenmusik rückten Jung und Alt zusammen und hielten brav ihren Stockbrotteig, aufgespießt an saftigen Weidenruten – frisch importiert aus Riddagshausen – in die lodernden Flammen. Mit roten „Backen“ und leuchtenden Augen schob man sich später dann den leicht angekohlten, knusprigen Klumpen in die hungrigen Mäuler und biss genüsslich hinein. Da kam so richtig Freude auf, das ließ die Herzen höher schlagen.
Zu gern wäre ich Mäuschen während des Picknicks der Kinder des Kindergartens Madamenweg und Schölkestraße gewesen, deren Weg sie über die Gleistrasse führte. Ob sie wohl heil am Ziel angekommen sind, ohne dass sie der böse Wolf in unbekannte Regionen entführt hat. Denn die „lieben Tanten“ aus dem Gesundheitsamt wollten die Kleinen mit einer Zahnprophylaxe am Ringgleis überraschen.
Klar, das so eine abwechslungsreiche 10-Tage-Aktion nicht ganz von Pleiten, Pech und Pannen verschont blieb. Tagelang bangten und hofften wir, dass die Frontlader, Raupen und anderes schwere Gerät im Wettlauf mit der Zeit siegen würden und der Hof – oder sollte man lieber von einer Mondkraterlandschaft an den Räumlichkeiten von art blau reden – vor unserem angekündigten Kulturspektakel doch noch planiert würde. Leider weit gefehlt ! In einer Blitzaktion entschieden wir uns in den frühen Morgenstunden desselben Tages für ein Verlegen der Aktivitäten ins Eichtalviertel und beglückten die Akteure eines bereits organisierten Nachbarschaftsfestes des Mieterbündnisses um Frau Pokorny.
Gut, dass bereits einige Monate ins Land gezogen sind. Der Muskelkater vom Schleppen der vielen Kilos hat sich verzogen, die Nerven liegen auch nicht mehr blank, der Stress ist abgebaut und rückblickend sieht alles nur noch rosig aus.

Für finanzielle Unterstützung und Spenden danken wir

  • dem Grünflächenamt der Stadt BS
  • dem Kulturinstitut der Stadt BS
  • der Koordinierungsstelle für Ausländerfragen
  • dem Bezirksrat 320 Westl. Ringgebiet
  • Bezirksbürgermeister Dieter Oppermann (SPD)
  • dem Tramp- und Globetrotter-Laden
  • der Fa. Steinkamp-Fahrräder
  • der Radhaus GmbH
  • Sigrid Maschke (Anwohnerin)
  • Hilke Schmidt (Anwohnerin)
  • Für fachliche Beiträge gebührt unser Dank

  • Manfred Gruner (Stadtheimatpfleger)
  • Klaus Hoffmann (Stadtteilheimatpfleger)
  • Udo Gebauhr und Heinz Kudalla (Abt. Denkmalschutz der Stadt BS)
  • Frank Ehrhardt (Arbeitskreis Andere Geschichte)
  • Hans-Joachim Meißner (Architekt und Stadtplaner)
  • Wolfgang Wiechers (Stadtplanungsamt)
  • Joachim Meyer (Grünflächenamt der Stadt BS)
  • Ronald Fellenberg (Design Transfer BS e.V.)
  • Wilhelm Meister (Anwohner)
  • Hans Junge (Stiftung Wohnen und Beraten)
  • Herrn Schrader (Umweltamt der Stadt BS)
  • Dr. Bernhard Ohnmacht (bs-forum)
  • Tanja Schnock (Biologin)
  • Musikalisch und kulturell wurde die Aktionswoche bereichert durch

  • die Theatergruppe Feuer und Flamme
  • die Folk-Gruppe „Ballu“
  • das „Maurice Weiss Trio“
  • Lisa Fitz und Jan Wanzelius
  • Heinz Hüsemann (Drehorgel)
  • Unserer besonderer Dank gilt

  • Sabine Pfeiffer (für die Erstellung von Plakat und Programmzettel)
  • der Firma Hochtief (für die ko-stenlose Überlassung des Baucontainers am Madamenweg)
  • der Fa. Nothnagel (für die unkomplizierte Hilfe / Unterstützung beim kurzfristig zur Spinnerstr. verlegten       Abschlußkonzert)
  • der HBK (für die kostenlose Überlassung der Studio-Galerie)
  • der Oswald Berkhan-Schule (für die Vorbereitung und Mitwirkung an der Malaktion)
  • Sozialdezernent Bernd Gröttrup
  • den Mitarbeitern des städtischen Jugendamtes (Spielmobil)
  • den StudentInnen um Prof. Motz (für die Organisation von Spielaktionen)
  • den Kitas St. Kjeld, Schölkestr., Madamenweg und der Spielstube Hebbelstr. (für die Spielaktionen)
  • der Braunschweiger Pfadfinderschaft um H.-J. (Baby) Mandel

    Last but not least danken wir den den Medienvertretern für die engagierte und umfangreiche Berichterstattung zur Aktionswoche:
  • Jörn Stachura (Braunschweiger Zeitung)
  • Bruno Niehoff (Radio Okerwelle)
  • Bernd Steinbrucker (Westpost)
  • Allen HelferInnen und UnterstützerInnen, die an dieser Stelle nicht namentlich genannt sind, gilt unser stiller
    Dank und das Versprechen, sie beim nächsten Mal nicht zu vergessen.
    Heiderose Wanzelius

    Bürgerbaustelle westliches Ringgleis in Aktion

    Das westliche Ringgleis muß möglichst schnell begehbar werden! Diese Forderung wurde gleich im Anschluß an die Aktionswoche im Mai 2001 umgesetzt. Und das durch die Anwohner selbst! Die Bürgerbaustelle – eine Initiative des braunschweiger forums – nach einer Idee von Wilhelm Meister hat zunächst den Abschnitt zwischen Madamenweg und Kreuzstraße für Fußgänger und Radfahrer passierbar gemacht.
    Nach der Sommerpause wird nun das Teilstück zwischen Kreuzstr. und Kälberwiese vom Gestrüpp befreit und anschließend ein Weg mit geeignetem Schottermaterial angelegt. Spontan stellte das Grünflächenamt Handwerkzeug zur Verfügung. Auch das Stadtreinigungsamt beteiligt sich mit einem Container zur Abfuhr des Grünschnitts.
    Weitere Helfer sind stets willkommen. Treffpunkt für die nächsten Arbeitseinsätze ist die Ecke Kreuzstr. / Ringgleis auf Höhe der Gaststätte „Aydin“. Termine nach dem 30.9. bitte im Büro des bs-forum (895030) erfragen.
    Zur Motivation bzw. als Belohnung wird mit Unterstützung der Gaststätte „Aydin“ vom 28.9. – 30.9. ein kleines Ringgleisfest (jeweils ab 14:00 Uhr) veranstaltet. Die Details stehen noch nicht fest, es wird aber auf jeden Fall für das leibliche Wohl gesorgt sein und musikalische Einlagen geben.
    Also los, lassen wir uns das nicht entgehen!
    Ommo Ommen

    Glosse: Oja Troja

    Mal ehrlich: interessieren Sie sich wirklich nicht für die alten Kamellen von Homer und dem, was die Nachwelt daraus gemacht hat? Und haben Sie noch nie vom Expertenstreit über das Thema „War Troja ein Dorf oder eine Metropole?“ gehört?
    Dann wird es aber höchste Zeit! Schließlich liegt Braunschweig seit Wochen im Troja-Fieber (Ausstellungsende: 14.10.2001) !
    Keinen Tag ohne die obligatorischen Götter(dämmerungs) Serie in der BZ. Kein Tag ohne die hundertfache Besteigung des trojanischen Pferdes und das Rätselraten darüber, wo es sein Gnadenbrot dereinst wohl fristen wird.
    Endlich hat die Stadt wieder ein Dauer-Event, zu dem sich – den Göttern sei’s gedankt – nicht nur Besucher aus der Region einfinden, sondern auch Ex-Minister, sonstige Minister und selbst der Kanzler höchstpersönlich aus dem fernen Berlin.
    Wenn das kein guter Beitrag für das Stadtmarketing ist! Und welche Gelegenheit zur Selbstdarstellung für die Kulturprofis und die ihnen ergebenen Bildungs-, Halbbildungs- und Bildungslosen BürgerInnen der Okermetropole!
    Oja Troja (Ich schreibe es altdeutsch immer noch so, wie ich es einmal gelernt habe) ist ein starker Impuls für uns alle. Da mögen selbst die Bäcker, die Fleischer und die Gastronomen nicht zurückstehen mit neuen Creationen zum Thema, von den Geschenkartikel-Produzenten und den Friseuren ganz zu schweigen.
    Im Sinne der Nachhaltigkeit schlage ich vor: Erklärt das Holzpferd mitsamt dem Burgplatz endlich zum Weltkulturerbe und laßt es auch im Braunschweiger Karneval hoch- und weiterleben nach dem Motto „Oja, wir aus Troja!“
    Hans W. Fechtel

     

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